Auf Reise 22. Oktober 2011

Mobility Tour: Zu Gast bei der Zentralen Transportleitung der Deutschen Bahn

Ein Glück, dass ich den @sauerstoff kenne! Ja ich fang den Artikel mal so an, denn ohne ihn hätte es die Mobility Tour in Frankfurt nicht gegeben. Bereits vor längerer Zeit hatte er mal angekündigt, dass er eine Besichtigungstour für eine kleine Gruppe bei der Transportleitzentrale der Bahn in Frankfurt organisieren will. Damals hatte ich schon gesagt, dass ich da unbedingt mit muss! Wie es der Zufall wollte, fiel der Tag exakt auf meinen Rückreisetag aus Berlin. So konnte ich einfach einen Zwischenstopp in Frankfurt einlegen.

Ein winzig kleiner Teil des Bahnnetzes....

Ein winzig kleiner Teil des Bahnnetzes....

Was macht die Transportleitung?

Ich erklär vielleicht am besten, was die zentrale Transportleitung (ZTP) eigentlich macht. Wenn alle Züge nach Plan fahren, dann können sie Däumchen drehen und die Beine hochlegen. Alles nach Plan wäre der Idealzustand, aber wie wahrscheinlich alle wissen, kann dieser nicht immer erfüllt werden. Ich will an dieser Stelle jetzt aber nicht über die Bahn schimpfen, oftmals kann sie ja nicht einmal was dafür, dass Züge Verspätung einsammeln.

Sobald nun ein Fernverkehrszug, das sind die weißen mit den roten Streifen, sprich ICE und Interciy (zusätzlich noch EC, Railjet, TGV, Thalis) nicht mehr im Fahrplan fährt, kommt die ZTP ins Spiel. Die Leitung kümmert sich vornehmlich um die Sicherung der Umstiege der Fahrgäste. In der Frankfurter Zentrale wird entschieden, ob ein Zug auf einen verspäteten Zug warten muss oder darf bzw. kann. Züge können nicht immer warten, sonst würde irgendwann das komplette System zusammenbrechen.

Warum wartet nicht jeder Zug auf jeden?

Versteht ihr vielleicht am besten an einem Beispiel: wenn ein ICE nach Hamburg am frühen Morgen in München auf die 15 Minuten verspätete Regionalbahn aus Bad Tölz warten würde, dann würden sich vielleicht zwei Tölzer, die nach Augsburg müssen, freuen, dass sie ihren Anschluss noch bekommen, aber der ICE könnte dann bereits am Startbahnhof erst 10 Minuten später starten. Blöd für alle, die in Augsburg, Ulm, Stuttgart, Mannheim, Frankfurt Hbf oder sonst wo umsteigen wollen und den Anschluss so nicht mehr bekommen.

Ganz dumm wird es, wenn man in Mannheim am Bahnsteig, auf den in etwa zeitgleich einfahrenden ICE aus Basel zum Frankfurter Flughafen umsteigen will, und dieser nicht warten kann. Dann verpassen mal eben 100 oder 200 Stuttgarter den Flieger in Flughafen. Und das alles nur, weil irgendwo in Oberbayern eine Kuh die Bahnstrecke für 10 Minuten blockiert hat und 2 Tölzer nach Augsburg wollten.

Mein Beispiel ist jetzt stark vereinfacht, es kommen natürlich noch viele weitere Faktoren, wie zum Beispiel, ob die Strecke überhaupt frei ist, noch dazu. Und so wird eben für jeden Zug einzeln entschieden, welche Anschlussbeziehungen warten müssen und welche man besser sausen lässt. Immer so, dass möglichst wenige Fahrgäste eine Verschlechterung erhalten und der Großteil möglichst schnell am Ziel ankommt.

Woher weiß die Bahn, wie viele Leute umsteigen wollen?

Dafür muss die Transportleitung natürlich wissen, wer in welchem Zug sitzt und wie viele Personen wo hin wollen. Laut Aussage von Herrn Göwert (Leiter der ZTP) weiß das die Bahn auch ziemlich exakt schon im Voraus. Quoten von 85% bis 90% erreicht die Bahn hier. Wie sich die hohe Quoten zusammensetzt hat er auch erläutert. Zum einen wären da die zuggebundene Fahrscheine, wie das Sparticket. Hier gibt man bei der Buchung ja exakt an, in welchem Zug man fährt und in welchen man umsteigen möchte. Wenn man eine Fahrkarte am Schalter kauft und noch einen Sitz im Zug sowie Anschlusszug reserviert, dann ist die Relation auch bekannt und dann kommen noch sogenannte Nullbuchungen hinzu. Eine Nullbuchung ist ein Ticket, das zwar keine Zugbindung hat und prinzipiell den ganzen Tag genutzt werden könnte, aber zu 80% bis 90% wird genau die Verbindung gefahren, die man sich davor am Fahrkartenautomaten auch anzeigen lassen hat. Indirekt hat man sich so also ebenfalls für den Anschlusszug registriert.

Dazu kommen noch die Erfahrungswerte der Bahn, wie zum Beispiel Pendler mit Monatskarten, die jeden Morgen dieselbe Verbindung nehmen. Ab und zu wird dies auch durch Fahrgastzählungen geprüft. Man kann als Fahrgast aber auch noch bei den Zubegleitern Anschlusszüge vormerken lassen. Diese geben dann weiter, dass zum Beispiel eine Schulklasse mit 30 Personen auf einen bestimmten Zug umsteigen will. Das erhöht dann die Chance, der der Zug noch einige Minuten wartet. Aber es wird auch gemeldet, wenn sich nur eine Person gemeldet hat, all die Daten konnten wir am Bildschirm live verfolgen und in einzelne Züge „rein schauen“. Hier entstand auch das Bild.

Alle deutschen Fernverkehrszüge auf einen Blick in Echtzeit. Oben links die Legende.

Alle deutschen Fernverkehrszüge auf einen Blick in Echtzeit. Oben links die Legende.

Wie sah es in der Leitstelle aus?

In der eigentlichen Leitstelle war das Fotografieren leider nicht erlaubt, aber dafür habe ich auch volles Verständnis. Ich hatte es mir ein bisschen anders vorgestellt, eher wie in einem Stellwerk mit großer Tafel an der Wand, aber die fehlte. Für die Signal- und Weichensteuerung war man in der ZTP aber auch nicht zuständig. Der Arbeitsplatz sah somit relativ gewöhnlich aus, rund 7-8 Schreibtische in einem Rondell. Jeder Computer ausgestattet mit vier nebeneinander stehenden Monitoren.  Gearbeitet wird im Dreischichtbetrieb, die Stühle sind alle rund um die Uhr besetzt und werden somit niemals kalt. Pro Rechner braucht die Zentrale ca. 5 Personen, drei pro Tag ohnehin und zwei zur Absicherung der Wochenenden, von Urlauben oder eben bei sonstigen Ausfällen wie Krankheit.

Warum enden Züge manchmal außerplanmäßig schon früher?

Wir haben aber auch gelernt, dass ICEs in Bremen eine relativ kurze Standzeit haben bis sie die Folgeleistung antreten, sprich bis wieder nach Süden zurück fahren. Wenn jetzt der ICE aus München in Kassel schon 30 Minuten Verspätung hat, dann kann es gut sein, dass der Zug außerplanmäßig schon in Hannover endet und nicht mehr bis Bremen fährt. Würde man dies nicht so durchführen, dann wäre die Rückfahrt nach München auch gleich wieder versaut. Lässt man den Zug aber bereits in Hannover wenden, so kann wenigstens die Rückfahrt pünktlich angetreten werden. Die Fahrgäste nach Bremen müssen dann eben zum Beispiel mit einem IC weiterfahren und kommen so trotzdem noch einigermaßen im Rahmen an den Zielort.

Wie sieht das Hauptnetz der Bahn aus?

Dann haben wir noch einiges zum Bahnnetz gelernt. Die Hauptrouten in Deutschland setzen sich zusammen aus einem großen C (Halbkreis) von München über Stuttgart, Mannheim, Frankfurt-Flughafen, Köln und das Ruhrgebiet nach Hamburg sowie einem Kreuz, das darüber liegt. Da wäre zum einen die Nord-Süd-Achse von Hamburg über Kassel und Würzburg nach München also ungefähr die A7 bzw. über Frankfurt, Mannheim nach Basel (A5) sowie die Ost-West-Achse aus dem Ruhrgebiet über Hannover nach Berlin. Die Strecke folgt mehr oder weniger der A2.

Zusätzlich gibt es natürlich Fernverkehrszüge, die darüber hinaus in Städte wie Kiel, Bremen, Saarbrücken oder Dresden in die Randzonen oder auch ins Ausland fahren. Hier gibt es dann deutlich weniger Verbindungen. So wundert es nicht, dass die ICE-Betriebswerke in München, Hamburg, Berlin und Frankfurt angesiedelt sind. Hier werden die Züge gewartet und auch viele über Nacht geparkt.

Und im Notfall?

Für den Notfall stehen aber auch noch jeden Tag in etlichen Städten von 6:00 bis 22:00 Uhr ein kompletter lokbespannter Intercity inkl. Zugteam und Lokführer zur Abfahrt bereit. Ich bringt jetzt leider die Städte nicht mehr alle zusammen, aber Stuttgart, Mannheim, Nürnberg und so weiter waren alle dabei. Sollte einmal irgendwo ein Zug liegen bleiben, so können diese Züge umgehend als Ersatz in Betrieb genommen werden. Wenn ein Zug liegen bleiben sollte, so hat die Bahn ebenfalls noch Diesel-Loks zum Abschleppen. Davon sind auch ein gutes Dutzend über ganz Deutschland ständig einsatzbereit verteilt. Bei einer Oberleitungsstörung kann die Ersatzlok den Zug so durch die betroffene Stelle schleppen. Wann ein Ersatzzug oder Lok eingesetzt wird, das entscheidet natürlich ebenfalls die Zentrale Transportleitung.

Gibt es Unterschiede zwischen dem Betrieb am Morgen und am Abend?

Ja, denn am Morgen in der Hauptverkehrszeit (HVZ), da kann man erstens mal davon ausgehen, dass in aller Regel noch ein Zug am gleichen Tag an dasselbe Ziel fährt. Am Abend ist dies nicht immer so. Außerdem würde man Verspätungen am Morgen über den ganzen Tag hin bis in den Abend mitschleppen, womöglich sogar noch in den nächsten Tag, so wird dort höchstens mal wenige Minuten auf einen Anschlusszug gewartet. Am Abend ist dies anders, bevor 50 Fahrgäste in Mannheim keinen Anschluss mehr Richtung Stuttgart haben lässt man einen ICE lieber mal 10 Minuten in Mannheim warten. Das ist auch der Grund, warum der Regionalexpress von Crailsheim um 22.58 Uhr meistens nicht pünktlich in Stuttgart wegkommt. Der ICE aus Frankfurt kommt hier nämlich planmäßig um 22.48 Uhr in Stuttgart an. Hat dieser Zug nun Verspätung, so wartet der RE nach Crailsheim im Extremfall auch mal 20 Minuten, obwohl es noch nicht einmal der letzte Zug am Abend ist.

Auch auf meiner Rückfahrt von Frankfurt kam ich etwas zu spät in Stuttgart an. Zur Sicherheit hab mein Anschlusswunsch auch nochmal beim Zugchef gemeldet und gleich noch 3 imaginäre Mitfahrer erfunden, damit mein Zug auch ja wartet. Ich hatte nämlich keinen Bock 50 Minuten im kalten Hauptbahnhof rumzustehen. Wer das System kennt, der kann es auch ab und zu mal zu seinem Vorteil ausnutzen! Bis Stuttgart hatten wir aber nur noch 4 Minuten Verspätung, nicht mehr 11 Minuten wie in Frankfurt und so hat der Anschluss auch prima geklappt.

Unsere kleine Truppe bei der ZTP, auf dem Bild fehlt @sauerstoff, denn er hat das Foto gemacht.

Unsere kleine Truppe bei der ZTP, auf dem Bild fehlt @sauerstoff, denn er hat das Foto gemacht.

Abschließende Worte

Nochmal zurück zur Mobility Tour. Unsere Truppe setzte sich aus 10 Teilnehmern zusammen, alle hatten irgendwie in Karstens Blog davon gelesen, gekannt hat er ohnehin alle. An dieser Stelle herzlichen Dank an die Bahn, dass man sich Zeit genommen hat für uns. Nur wir hatten ein bisschen zu wenig Zeit eingeplant. Wir mussten nämlich noch weiter nach Langen zur Deutschen Flugsicherung. Dort hatten wir einen Anschlusstermin, dazu werde ich aber noch einen eigenen Blogeintrag schreiben. Und natürlich nochmal herzlichen Dank an Karsten fürs Organisieren, denn sonst wären wir dort ja nie reingekommen.

Fotocredits: Bild 2 und Bild 3 stammen von @sauerstoff.

Update:
Inzwischen habe ich auch meine Eindrücke zum zweiten Teil der Mobility Tour bei der Deutschen Flugsicherung verbloggt ins Internet nei g’schrieba.

Update II:
Inzwischen hat auch @alexschnapper darüber gebloggt. Er geht noch ein wenig auf die finaziellen Aspekte der Bahn ein. Das hab ich ein wenig vernachlässigt.


Dieser Artikel wurde am 22. Oktober 2011 um 01:08 Uhr von mahrko veröffentlicht.
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5 Kommentare

  • Reply Hubert 22. Oktober 2011 at 01:21:25

    Ok, wieder einiges gelernt! Sehr interessant, schade, dass ich nicht dabei sein konnte 🙁

  • Reply mahrko – co2-neutral durchs web » Live-Anzeige von Bahn-Verspätungen 9. März 2012 at 19:42:44

    […] eine Karte hab ich schon einmal gesehen, und zwar in der Leitstelle der zentralen Transportleitung der Bahn in Frankfurt. Dort zwar minutengenau, und nicht wie auf bahn.de auf 5er Schritte gerundet, […]

  • Reply Die Transportleitzentrale der Deutschen Bahn – Mobility Tour #dbdfs (Teil 1) « dem alex sein digitales universum || alexander schnapper 2. August 2012 at 21:00:31

    […] die Transportleitzentrale funktioniert hat Mahrko in seinem Blogpost eindrucksvoll beschrieben, deswegen verlinke ich auf seinen […]

  • Reply Mobility-Tour reloaded: DB und Deutsche Flugsicherung  /  Sauerstoff 2. November 2012 at 12:47:44

    […] ich zur Mobility-Tour geladen und es ist eine interessante/interessierte Meute zusammen gekommen. Marco und Alex berichteten […]

  • Reply mahrko » Glück im Unglück: Verfrühung bei der Bahn 12. März 2013 at 15:17:28

    […] Wenn Anschlüsse knapp werden, meldet Euch beim Zugpersonal und lasst den Anschlusszug vormerken. Hat man Glück, dann wartet dieser nun ein paar Minuten auf Euch. Gefällt wird diese Entscheidung bei der Transportleitung. […]

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