Nun war er also gekommen. Mein erster richtiger Radfahrtag auf der Reise. Einfach nur aufstehen, frühstücken, mein Zeugs zusammenpacken, aufs Rad setzen und los. Keine Fahrpläne checken, keine Termine, und außer dem Ankommen müssen – keine Verpflichtungen. Tage wie dieser sollten auf der Reise noch viele weitere Tage folgen, denn so sah nun knapp vier Wochen lang mein Alltag aus.
Wir schreiben Sonntag, den 1. Mai 2022. Der Tag der Arbeit ist auch in Frankreich ein Feiertag, aber da er auf einen Sonntag fiel, machte es keinen großen Unterschied. Wobei: bei einer Sache hätte es einen gravierenden Unterschied gemacht. Landesweit bleiben an diesem Tag alle Linienbusse und Straßenbahnen in den Depots und auch Züge fahren kaum welche. Insofern hatte ich Glück, dass mein einziges Verkehrsmittel heute das Fahrrad sein sollte.
In der Nacht habe ich zwar recht gut geschlafen, aber beim Einschlafen habe ich schrecklich gefroren. Nach einiger Zeit habe ich auch rausbekommen warum. Eins der beiden Fenster in meinem Zimmer ließ sich nicht spaltfrei schließen. Ihr erinnert euch an das alte Haus, das ich euch im ersten Artikel beschrieben hatte. Irgendwie hatte sich wohl das Fenster verzogen. Aber ich hatte eine Heizung im Zimmer und so habe ich eben die angestellt, so ließ es sich – mit Sweatshirt an – dann auch gut einschlafen.
Meine Mahlzeiten in Frankreich
Morgens gabs ein herzhaftes Frühstück mit Rauchfleisch und Co, was ich als fast Vegetarier ja nicht so prall fand. Aber Marmelade und Baguette waren auch am Start, damit sollte ich klarkommen. Im Grund genommen habe ich mich in Frankreich sowieso zu 70% von Baguette ernährt. Irgendwann hatte ich auch eine perfekte Möglichkeit gefunden, meine frisch gekauften Baguettes am Rad zu verstauen. Aber mehr dazu in einem der späteren Blogposts.
Zurück zum 1. Mai: ab dem späten Mittag war ich froh, dass ich eine ordentliche Menge gefrühstückt hatte. Denn offene Bäckereien oder Restaurants zu finden, das war am Tag der Arbeit gar nicht so einfach in einem dünn besiedelten Landstrich. Tankstellenshops kennt man in Frankreich auch eher nicht. Meist hat man einfach nur SB-Tankstellen, die außer den Zapfsäulen und einem Automaten nicht viel Ausstattung haben. Häufig noch nicht einmal ein Dach.
Ich hatte mir glaub beim Frühstück sogar 1-2 Scheiben Brot eingesteckt. Für alle Fälle, wenn ich keine Bäckerei finden sollte. Etwas Brotaufstrich vom ersten Tag, ein Glas Marmelade von meiner Schwester und einige kleine Dosen mit Honig und Nutella hatte ich noch von den Hotels meines letztens Trips in Slowenien im Gepäck.
Ohnehin war wahrscheinlich die Kategorie Essen und Trinken, die, für die man in Frankreich am meisten Geld ausgeben hätte können. Aber tagsüber habe ich mich mit Leitungswasser begnügt und mittags habe ich meistens Vesperpause gemacht. Fast immer an einem wunderschönen Rastplatz irgendwo mitten in der Natur. Ab dem folgenden Tag hatten dann ja auch die Läden wieder offen und ich konnte Verpflegung nachkaufen. Weil man in Frankreich die vegetarischen Brotaufstriche, die es in Deutschland inzwischen in jedem Supermarkt und Discounter gibt, noch nicht wirklich kennt, lief es meistens auf Käse raus. Und Baguette natürlich. Abends dafür häufiger mal im Restaurant.
Der Start in den Tag
Um 9:50 Uhr war es dann soweit. Ich aktivierte die Aufzeichnungsfunktion der Route mittels Strava auf meiner Apple Watch und stieg aufs wieder beladene Fahrrad. Und sicherheitshalber auch immer nochmal in einer zweiten App (komoot) auf dem Smartphone. Anders als am Abend zuvor wählte ich nicht den direkten Weg zurück zum Rhein-Rhône-Kanal, sondern bin einen kleinen Schlenker über das Nachbardorf Dannemarie gefahren.
Dort war die Dorfmitte hübsch geschmückt für ein bald startendes Festchen, aber leider keine Bäckerei geöffnet. Dafür hätte ich am Vormittag des Feiertags überall Maiglöckchen kaufen können. Immer wieder saßen kleine Mädchen oder Omas am Straßenrand, die welche verkauften. In unserem Nachbarland gelten sie als Glücksbringer und werden für diesen Tag extra gezüchtet. Wer mehr über den Brauch wissen will, findet Infos dazu im Reiseblog meinFrankreich.com.
Ein paar Sätze zum Kanalsystem in Frankreich
Nach diesem kurzen Abstecher führte dann meine Route wieder runter an den Kanal. Der Rhein-Rhône-Kanal beziehungsweise Canal du Rhône au Rhin wie die Franzosen ihn nennen, wurde von 1784 bis 1833 erbaut und kann Schiffe der Freycinet-Klasse aufnehmen. Wikipedia sagt dazu, dass das einer Schiffsgröße von maximal 38,5 Meter Länge und 5,05 Meter Breite entspricht. Bei einem Tiefgang von höchstens 1,80 Meter, macht das eine maximale Ladekapazität von 250 Tonnen. Für dieselbe Menge brauchte man damals richtig viele Pferdfuhrwerke.
Der Name des Kanals täuscht ein wenig. Der Kanal führt eigentlich nur bis zur Saône, einem größeren und schon schiffbaren Fluss, der dann in die Rhône mündet. Und das andere Ende trifft auch nicht auf den Rhein, sondern auf den Rheinseitenkanal. Also eigentlich müsste er Rheinseitenkanal-Saône-Kanal heißen. War aber wohl allen zu kompliziert und deswegen heißt er so, wie er heißt.
Recht kompliziert war auch die Erbauung des Kanals im heutigen Department Haut-Rhin (Ober-Elsass), denn vom Rheintal hoch zur Wasserscheide müssen 110 Höhenmeter aufwärts überwunden werden. 40 Schleusen braucht es dafür. Und gleich 13 davon findet man in der Schleusentreppe von Valdieu-Lutran. Das 3 Kilometer lange Bauwerk sieht schon vom Boden beeindruckend aus, noch coolere Fotos hätte man wohl aus der Luft machen können, aber eine Drohne hatte ich nicht dabei.
Mein Radweg, der EuroVelo 6 führte auf dem sogenannten Leinpfad immer parallel zum Kanal am Wasser entlang. Auf diesem haben früher Pferde oder Ochsen die noch motorlosen Schiffe gezogen. Heute verläuft darauf der Radweg. In den allermeisten Abschnitten in Ostfrankreich ein piekfeiner Asphaltbelag, auf dem man sogar Rennradfahrer antraf.
Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: dadurch, dass die Schiffe ja auch unter Brücken für Eisenbahn und Co hindurch getreidelt werden mussten, findet sich unter den allermeisten Brücken genug Platz um den Radweg kreuzungsfrei drunter durch zu führen. Also die ersten paar hundert Kilometer – ungefähr bis zur Mündung in die Saône – können auch Kinder perfekt auf dem EuroVelo 6 durch Frankreich radeln.
Aber 95% des Tages hatte ich den Radweg die nächsten zwei Wochen echt für mich allein. Bis zur Loire waren Anfang Mai kaum andere Fernradler unterwegs. Nur an den Vormittagen am Samstag und Sonntag waren häufiger mal Rennräder unterwegs. Ansonsten begegneten einem auf dem Weg eigentlich nur noch ab und an Traktoren mit Mähwerken, die dafür sorgten, dass das Gras entlang der Wege geschnitten wurde. Aber sobald die Fahrer mich bemerkten, wurde sofort das Mähen pausiert, mich sicher passieren gelassen und danach weiter gemacht. Echt vorbildlich, liebe VNF! So heißt die zuständige Wasserstraßenverwaltungsbehörde in Frankreich.
Städte entlang der Etappe
Größere Städte gab es auf der knapp 100 Kilometer langen Etappe keine. Nach Belfort hätte ich einen kleinen Abstecher machen können, aber weil die Etappe schon sehr lang war, hab ich den weggelassen. Aber durch Montbéliard bin ich durchgekommen. Das war auch ein schönes Städtchen, mit einem 1397 von den Württembergern erbauten Schloss auf einem Felsen über der Stadt. Unten am Fluss Allan liegt auch ein richtig schöner Park, in dem ich meine Pause am Mittag verbrachte. Sonst ging es aber eher beschaulich zu am Feiertag.
Beim Blick ins Höhenprofil der zweiten Etappe sieht man recht leicht, dass der Scheitelpunkt des Kanals schon kurz nach der Schleusentreppe erreicht war. Von nun an ging es für das Wasser Richtung Rhône und Mittelmeer nur noch bergab. Kurz vor der Stadt überquerte der Kanal auf einer Brücke den Fluss. Solche Bauwerke gab es einige auf der Route und ich fand sie jedes Mal aufs Neue faszinierend.
Wenige Kilometer hinter nach Montbéliard mündete der Fluss Allan dann in einen etwas größeren aus der Schweiz kommenden Fluss – den Doubs. Dieser ist außerdem auch namensgebend für das zweite Department, durch das ich radelte. Auch die nächsthöhere Verwaltungseinheit – die Region – hatte sich geändert: auf das Grand Est folgte die Region Bourgogne-Franche-Comté. Wenn man ein Department mit einem Landkreis gleichsetzen würde, dann wären die französischen Regionen wohl so etwas wie ein Bundesland, sind sie aber natürlich nicht.
Aber nicht nur die Region der Verwaltungseinheit änderte sich, im Laufe des Nachmittags änderte sich auch die Landschaft sehr. Ich folgte jetzt nicht mehr einem meist geraden in das platte Land gegrabenen Kanal, sondern einer Wasserstraße, die einem natürlichen Flusslauf folgte. Wie ihr auf dem Foto sehen könnt, hatte sich der Doubs stellenweise sehr tief und kurvenreich ins Felsmassiv eingegraben.
Unterwegs im Doubs-Tal Richtung Südwesten
Auf den meisten Abschnitten im Doubs-Tal gab es keinen separaten Kanal mehr. Die Schiffbarkeit wurde über viele Staustufen mit kleinen Schleusen hergestellt. Aber auch hier kann ich mich nur wiederholen. Eine wunderschöne Gegend, die manche von euch auf einer Autofahrt ans Mittelmeer schon gestreift haben, aber ansonsten fast keiner in meinem Bekanntenkreis kannte.
Die Gegend ist auch recht dünn besiedelt, es war gar nicht so einfach hier immer Unterkünfte an der richtigen Stelle zu finden. Zur genauen Planung meiner Reise aber in einem späteren Blogpost mehr. Industrie gab es früher wohl einmal mehr, einige einsame und halbeingefallene Fabrikruinen erinnerten noch daran.
Das war auch auf der weiteren Reise auffällig: um einsturzgefährdete Gebäude einfach eine kleine Absperrung drum rum machen und den Rest dem Zahn der Zeit überlassen. Wahrscheinlich hat es in Deutschland versicherungstechnische Gründe, dass bei uns immer alles gleich abgerissen werden muss.
Ziel meiner Etappe war dann am Abend Baume-les-Dames. Wie versprochen endlich ein Französisch klingender Ortsname. Wie weit ich am zweiten Tag geradelt bin, da waren sich meine beiden Apps nicht ganz einig. Strava sagte genau 100 Kilometer, komoot hingegen meinte es seien nur 99,6 Kilometer gewesen. Meinem richtigen Ziel, dem Atlantik, bin ich jedenfalls ein gutes Stück nähergekommen. Aber es lagen immer noch gute 1.600 Kilometer vor mir.
Die Übernachtung in Baume-les-Dames
Meine Unterkunft für die zweite Nacht war ein zu einem Restaurant gehörendes kleines Hotel. Bezahlt habe ich für die Übernachtung im Hôtel Le Bambi mit Frühstück 57 Euro. Nur die Checkin-Zeiten waren etwas schwierig, denn Personal war erst ab 18:30 Uhr vor Ort. Wir hatten zwar am Morgen noch telefoniert, auf Französisch, und man wollte mir einen Schlüssel in die entsprechende Box hinterlegen. Ja sogar den PIN-Code hatte ich mir richtig notiert, aber dann hatte die Chefin im morgendlichen Stress vergessen den Schlüssel in die Box zu deponieren. So musste ich halt eine halbe Stunde auf dem Parkplatz warten, bis es 18:30 Uhr war und jemand auftauchte.
Für den Fehler hatte sie sich aber vielmals entschuldigt. Und war ja auch kein großes Ding. Ich hatte kurz zuvor in einem der wenigen Biergärten Frankreichs eine etwas längerer Pause am Flussufer eingelegt und dort ein Belohungsbier (7 Euro für 0,5 Liter) in der Abendsonne getrunken.
Apropos Wetter: ich hab’s ganz vergessen zu erwähnen. Aber an Tag 2 war es komplett trocken. Morgens schon sonnig, am Vormittag nochmal etwas bewölkt, aber ab dem Mittag bis in den Abend hinein wunderschönes Wetter und strahlend blauer Himmel. Die Temperatur lag bei so etwa 22 Grad. Also perfektes Radfahrwetter. Komischerweise hatte bisher nicht mal meine Pollenallergie etwas zu meckern.
Im Restaurant des Hotels gab es für mich dann abends noch eine Pizza. Als einziger Gast wollte ich abends gegen 20 Uhr unbedingt auf der schattigen Terrasse sitzen. Aber drinnen war mir einfach zu voll. Da war mir die Gefahr einer Ansteckung mit Corona zu hoch. Lieber frieren als Corona war mein Motto. Ins Bett ging es dann auch wieder recht früh. 😊
In den nächsten Artikeln will ich dann auch mal ein paar allgemeinere Themen einfließen lassen. Das wären dann zum Beispiel die Planung der Route, die Buchung der Unterkünfte, meine Packliste, ein paar Worte zur Ausrüstung. Wenn euch noch was fehlt, schreibt es gerne ins Kommentarfeld.
Zum Blogpost des dritten Tages geht es hier entlang. Sobald er geschrieben ist.
Nützliche Links
- Hôtel Le Bambi – meine Unterkunft in Baume-les-Dames
- Tagesetappe Nummer 2 auf komoot
- Meine #radlantik-Collection mit allen Etappen auf komoot
Für Statistik-Fans
Tag Nummer 2 | Gesamttour | |
Geradelte Kilometer | 99,5 km | 164,3 km |
Im Sattel verbrachte Zeit | 4:47 Stunden | 8:00 Stunden |
Höhenmeter bergauf | 370 Meter | 550 Meter |
Höhenmeter bergab | 380 Meter | 480 Meter |
3 Kommentare
Perfekter Beitrag, klasse!
Hallo Mahrko,
Super interessant und schön zu lesen und man will gleich losradeln!
Leider komme ich nur bis zum Tag 4 deiner Reise. Kannst du mir verraten was ich tun muss um auch den „Rest“ lesen zu können.
Viele Grüße
Alexander
Guten Tag,
ich möchte gerne ebike Tagestouren und ebike Reisen machen. Mein Freund fährt ohne ebike auch 100 km am Tag, wenn es sein muss.
Auch m¨chte ich damit zur Arbeit fahren.
Ich bräuchte technische Tipps vor dem Radkauf: welche Antriebsart, wieviele NM sollte der Akku haben, wieviel Watt der Akku..
hält eine Akkuladung 100km aus und wie lange braucht eine Ladung des Akkus?…
Herzlichen Dank und weiterhin gute Fahrt.
PS Ich lebe in Frankreich, Pariser Gegend – die Reisen sind also in diesem Land
Vielen Dank und weiterhin viel Spass mit dem ebike