Mein vierter Tag in Frankreich war so herrlich unaufgeregt, dass ich für diesen Blogpost das erste Mal auf meine Notizen angewiesen war. In diesen notierte ich auf dem Smartphone in Stichpunkten, was ich abseits der fotografierten Szenen so erlebt habe. Die Tagesetappe führte mich knapp 80 Kilometer von Audelange im Jura nach Écuelles im Burgund.
In der Bauernhof-Unterkunft hatte ich kein Frühstück gebucht, sodass ich am Morgen schon etwas früher startete. Die ersten zwei Kilometer folgte ich dem Weg, auf dem ich am Abend zuvor von der Dorfkneipe zurücklief. Im Nachbardorf steuerte ich diesmal nicht wieder die Kneipe neben der Kirche, sondern erneut den Bäcker an und diesmal hatte er auch geöffnet. Nachdem ich mich mit Baguette und mega leckerem Süßkram eingedeckt und das zusätzliche Gepäck verstaut hatte, radelte ich wieder zurück an den Radweg am Fluss entlang.
Es dauerte nicht lange, dann kam auch schon eine schattige Parkbank am Wegesrand und ich legte nach gerade mal vier gefahrenen Kilometern meine Frühstückspause ein. Eine Joggerin mit neugierigem Hund, der mein Frühstück beschnuppern wollte, kam vorbei. Obwohl dieser das Kommando „Aus!“ wahrscheinlich noch nie gehört hat, hat er’s wohl verstanden. Der Ton war wohl scharf genug. Oder vielleicht doch der Hund zweisprachig erzogen. Man weiß es nicht…
Aber ansonsten hatte ich den EuroVelo 6 am Morgen mal wieder ganz alleine für mich. Nur mit den Fischreihern und einigen Kühen musste ich mir die Landschaft teilen. Auch das Wetter war bestens. Richtig sonnig, aber nicht zu heiß. Perfektes Radfahrwetter würde ich sagen.
Die ersten paar Tage auf meiner langen Reise habe ich die Fischreiher am Wegesrand ja meist noch fotografiert, weil sie bei uns so selten sind. Aber irgendwann dachte ich nur noch „Ah, schon wieder einer…“. Und die Vögel haben sich wohl auch an die Radfahrer gewöhnt, denn wenn man an ihnen vorbeifuhr, dann flogen sie nicht weg. Anders jedoch, wenn man anhielt. Dann bereiteten sie ihre Flügel aus und wechselten zumindest die Fluss- beziehungsweise Kanalseite.
Kurzvisite und Shoppingtour in Dole
Am Vormittag erreichte ich dann Dole. Mit ca. 23.000 Einwohnern eine Kleinstadt, die aber alles hatte, was man so braucht. Und ich brauchte einen Optiker, bei dem ich Kontaktlinsenreiniger kaufen konnte. Meiner stand nämlich leider zuhause vergessen in Wiesbaden. Es gab zwar keine kleine etwas reisetauglichere Gefäßeinheit, aber ansonsten habe ich genau das bekommen, was ich wollte. Ich hatte allerdings auch vorher nachgeschaut, was „harte Kontaktlinsen“ auf Französisch heißt.
Danach bin ich noch kurz durch die Altstadt geradelt und hab mir danach das echt gut dastehende Bahnhofsgebäude angeschaut. Für SNCF-Verhältnisse fuhren hier sogar recht viele Züge. Gut möglich, dass ich hier sogar schon einmal durchkam, denn der TGV von Paris nach Lausanne in der Schweiz macht hier Station. Und mit dem bin ich vor vielen Jahren einmal mitgefahren.
Beim nächsten Mal nach Dole komme ich dann vielleicht, um hier auf ein Boot umzusteigen. Die Stadt hat einen größeren Hafen und dort machten viele Leihboote fest. Man erkennt diese zum einen am Einheitslook und natürlich an den vielen Bojen rund ums Schiff. Damit Hobbykapitäne, die für eine Fahrt damit keinen Führerschein benötigen, nicht allzu viel kaputt machen können, wie mir am Abend erklärt wurde.
Vom Jura in das Burgund
Kurz hinter Dole trennten sich dann die Wege vom Doubs und Rhein-Rhône-Kanal. Der natürliche Flusslauf mäanderte südlich des Kanals noch 20-25 Kilometer weiter bis er in Verdun-sur-le-Doubs in die Saône floss. Der Kanal hingegen nahm den kürzesten Weg. Auf dem EuroVelo 6 konnte man die meiste Zeit parallel zum Kanal fahren, nur an einer großen chemischen Industrieanlage bei Abergement-la-Ronce, da musste man dem Wasser für kurze Zeit Au-revoir sagen.
Dort, wo der Radweg wieder auf den Wasserweg trifft, dort fand ich die coolste Rastanlage auf der ganzen Tour durch Frankreich. Eine richtige Stromtankstelle mit diversen Ladesteckern und normalen Steckdosen für E-Bikes. Alles ganz neu errichtet. Nur die frisch gepflanzten Bäume an den Sitzgelegenheiten, die müssen noch etwas wachsen bis sie Schatten spenden können.
Kurz nach dem Rastplatz wechselte ich dann abermals das Department. Ich hatte das Jura nun hinter mir gelassen und fuhr für einige Stunden durch das Department Côte-d’Or. Kurz vor dem Zielort wechselte das Department jedoch nochmal. Die Nacht sollte ich in Saône-et-Loire verbringen. Die Kennzeichen der lokalen Autos wechselten im Lauf des Tages also von der Ordnungsnummer 39 auf 21 zu 71. Alle drei Departments gehören seit 2015 jedoch zur Region Bourgogne-Franche-Comté.
Die Qualität der Radwege durch Ost-Frankreich
Da das Anlegen und Instandhalten der Radwege zum Großteil in der Hand der Departments liegen, waren die kleinen „Grenzen“ auch nicht ganz unwichtig. Häufig änderte sich hier auch der Straßenbelag. Und nach den tollen Radwegen durch das Doubs und Jura, folgten in Côte-d’Or nun erst einmal einige Schotterpisten.
Bei Saint-Symphorien-sur-Saône endet der Rhein-Rhône-Kanal dann schließlich. Mein Radweg war nun für einige Kilometer identisch mit dem La Voie Bleue – dem Mosel-Saône-Radweg. Schiffe müssen die restliche Strecke vom Rhein Richtung Mittelmeer auf der Saône zurücklegen. Diese mündet dann bei Lyon in die Rhône, dem zweiten namensgebenden Fluss des Kanals.
Mit dem Pilgerstädtchen Saint-Jean-de-Losne habe ich noch einen größeren Ort passiert. Danach ging es dann knapp 40 Kilometer lang, meist auf kleineren Straßen durch das Burgund. Größere Dörfer oder Dinge wie Supermärkte: hier eher Mangelware. Langsam gewöhnte ich mich auch an die Schotterwege entlang der Saône. Das Rad staubte nun halt etwas ein und man musste ein bisschen mehr auf den Weg gucken, aber ansonsten war auch dieser Abschnitt gut fahrbar. Auf den Landstraßen herrschte fast kein Verkehr. Und wenn doch, dann wurde immer vorbildlich mit sicher zwei Metern Abstand überholt. Dafür vielen Dank liebe Franzosen! 💙
Ab Abwegen vom EuroVelo 6
Um zu meiner gebuchten Unterkunft zu kommen, musste ich den offiziellen Radweg für einige Kilometer verlassen. Dieser führt hier nämlich links der Saône entlang, meine Unterkunft lag aber am rechten Ufer und eine Brücke gab es dort keine. Am nächsten Tag bin ich dann morgens wieder zurück auf den Eurovelo 6 gefahren, allerding ohne wirklich mehr Strecke gemacht zu haben. Ich musste ja einfach nur ein paar Kilometer auf der anderen Flussseite zurücklegen.
Wie ich im Gespräch mit Jan, dem Chef des Bed-and-Breakfast-Betriebs lernte, lag seine Unterkunft leider einen Kilometer zu weit weg von der offiziellen Route, sodass seine Unterkunft nicht in den offiziellen Unterkunftsverzeichnissen gelistet wird. Ein Glück, dass ich meine Unterkünfte dort ohnehin nicht gesucht hatte, sondern immer direkt in der Kartenansicht von booking.com bzw. wenn sich darüber nichts fand, dann über GoogleMaps.
Auf den letzten Metern nach Écuelles kam ich nahe dem Dorf Chivres an einem ehemaligen Bahnhof vorbei. Eine willkommene Gelegenheit für einen kleinen Fotohalt und ein bisschen Recherche in der Französischen Wikipedia. Ruckzuck war ein Artikel über die ehemalige Bahnstrecke gefunden. So lernte ich auch, dass ich morgen an einem Kreuzungsbahnhof vorbeikommen würde. Von den ehemals vier Strecken sind heute aber leider alle stillgelegt.
Hilfreich bei der Suche war außerdem immer die Railmap-App, so eine Art GoogleMaps mit aktiven und ehemaligen Eisenbahnstrecken. Außer dem Stationsgebäude erinnerte noch eine „Rue Du Gare“ an den früheren Bahnhof.
Im Vorfeld hatte ich auf diesem Abschnitt über den Fluss und am Bahnhof vorbei etwas Sorge, denn für rund vier Kilometer musste ich auf einer Landstraße fahren, entlang der es keinen Radweg gab. Ich konnte hier nicht abschätzen, wie hoch das Verkehrsaufkommen dort wohl sein mag. Aber die Sorge war eher unbegründet. Mir begegneten gerade mal 2-3 Autos, damit konnte ich gut leben.
Kurz nach dem ehemaligen Stationsgebäude kam dann auch die Abzweigung, an der ich mich links halten musste. Die letzten Kilometer bis zum Etappenziel führten über eine kleinere Gemeindestraße, die ich für mich allein hatte.
Meine Unterkunft für die vierte Nacht beherbergt schon seit 300 Jahren Reisende. Damals als Gasthof, nun frisch renoviert als Bed&Breakfast-Betrieb. Offiziell heißt die Unterkunft zwar nur „Jan‘s place in Burgundy“, aber Jan hätte sie auch „Jan‘s Paradiese“ nennen können.
Der angelegte Garten mit Blick auf das Flussufer war einfach wundervoll. Aber auch der ehemalige Gasthof war wunderbar eingerichtet. Es gab unten sogar ein Musik- und Bücher-Zimmer.
In den zwei Stockwerken darüber findet sich vier thematisch eingerichtete Zimmer. Ich bekam ein Zimmer im Dachgeschoss mit extra großer Dusche. Die Erfrischung hat nach dem warmen und staubigen Tag richtig gut getan. Abends versorgte ich mich dann selbst mit ein bisschen Baguette, Käse und Wein. Einen Supermarkt gibt’s im Dorf allerdings keinen, man muss also etwas vorplanen.
Nach dem Abendessen schaute ich mir noch das Flussufer der Saône an. War ja nicht weit. Direkt an der Dorfkirche gegenüber meiner Unterkunft führte ein kleiner Weg ans Ufer hinab. Lang blieb ich allerdings nicht draußen. Es zogen nämlich recht dunkle Wolken auf und der Wind nahm auch zu. Und nass werden wollte ich nicht unbedingt am Abend.
Jan ist übrigens Niederländer, der neben Englisch, Fanzösisch und Niederländisch auch ziemlich perfektes Deutsch spricht. Beim Frühstück am nächsten Morgen hat er mir ein bisschen über sich erzählt. Früher war er Koch in Amsterdam. Aber das wurde ihm dann irgendwann zu stressig. Nun verköstigt er seine Gäste lieber im Burgund. Mich zwar nur mit einem großen und reichlichen Frühstück, aber auf Anfrage vorab zaubert er auch Mehrgänge-Menüs für seine Gäste am Abend.
Nützliche Links
- Meine Unterkunft bei Jan im Bed-and-Breakfast
- Die Tagesetappe auf komoot
- Meine komplette #radlantik-Collection auf komoot
Für Statistik-Fans
Etappe Nummer 4 | Gesamttour | |
Geradelte Kilometer | 79,5 km | 334,5 km |
Im Sattel verbrachte Zeit | 3:55 Stunden | 16:25 Stunden |
Höhenmeter bergauf | 200 Meter | 1020 Meter |
Höhenmeter bergab | 240 Meter | 1070 Meter |
6 Kommentare
Cool, cool, cool. Und scheinbar ein perfekter Unterkunftstip dabei 😉 Konnte man die Leihboote auch dort leihen oder parkten die nur?
Hallo Mahrko,
gehen die Berichte nicht weiter????
Habe mich gerade gefreut, dass ich einen Bericht gefunden habe, der auch die Statistik und Details rund um die Fahrt zeigt , da ist mit einem mal Schluß!!??
Kommen noch die restlichen Etappen??
Schöne Bilder und Texte. Vielen Dank jetzt schon dafür.
Wir wollen ebenfalls Anfang Mai starten, ab dann ich West-Ost-Richtung.
Gruß aus Elmshorn
Wolfgang
Hallo Wolfgang,
eigentlich soll es schon noch weitergehen. Ich wurde nur im Sommer etwas faul und seither habe ich die Muße noch nicht wiedergefunden. 🙈
Liebe Grüße
Marco
Hallo Marco,
schade dass der Bericht nicht weitergeht.
Die Art, wie du von deinen Erlebnisse berichtest hat mir sehr gut gefallen.
Ich kenne das auch. Wenn ich zu lange damit warte, die Fotos und meine Reiseaufzeichnungen zu bearbeiten, dann bekomme ich den Dreh nicht mehr.
Aber vielen Dank, dass du mich an den ersten Tagen deiner Reise hast teilhaben lassen.
Gruß Ingrid
Hallo Marco,
schade dass der Bericht nicht weitergeht.
Die Art, wie du von deinen Erlebnisse berichtest hat mir sehr gut gefallen.
Ich kenne das auch. Wenn ich zu lange damit warte, die Fotos und meine Reiseaufzeichnungen zu bearbeiten, dann bekomme ich den Dreh nicht mehr.
Aber vielen Dank, dass du mich an den ersten Tagen deiner Reise hast teilhaben lassen.
Gruß Ingrid
Hallo Marco, bin gerade erst auf diese Serie gestoßen, schade dass es nicht weitergeht. Ich bin mit dem Anhänger in Frankreich unterwegs und habe auch die Räder dabei. Frankreich bietet einfach tolle Gelegenheiten. Außerdem bin ich gerade ein wenig gestrandet, da ich einen kleinen „Unfall“ hatte (fasch überladen, leicht gekippt und von der Straße abgekommen. Platter Reifen 🙁 Jetzt wird die Radlastwaage aber 10x benutzt). Deswegen radel ich jetzt hier ein wenig und genieße die Natur. Ich hoffe, du hattest noch eine schöne Reise!