Ein bisschen verrückt muss man wahrscheinlich schon sein, wenn man sich nicht, wie alle anderen Sizilienurlauber, für einen Flug dorthin entscheidet. Bei mir fiel die Wahl Anfang Mai natürlich auf die Eisenbahn! Sind ja ab Wiesbaden auch nur rund 2000 Kilometer, die ich in rund 32 Stunden Reisezeit bewältigt habe. Wer jetzt allerdings an ganz viele Bummelbahnen und unzählige Umstiege denkt, der irrt. Umgestiegen bin ich nämlich nur zweimal. Ab Mailand ging es dann 1400 Kilometer den ganzen Stiefel runter und rüber auf die Insel im durchgängigen Nachtzug.
Am häufigsten wurde ich nach der Reise auf die Kosten der Zugfahrt angesprochen. So eine Fahrt nach Sizilien sei doch bestimmt irre teuer. Vor allem im Nachtzug mit eigener Kabine. Nun, ganz billig war die Fahrt auch nicht und an den Preis eines Billigflugs kommt man auch nicht heran, aber mit 140 Euro für die Hinfahrt war das Ganze dank Sparpreisen doch noch recht erschwinglich. Die Rückfahrt hat nochmals rund 130 Euro gekostet, aber da bin ich ein bisschen anders gefahren. Gebucht habe ich alle Tickets ungefähr fünf Wochen vor der Reise.
Wie kommt man eigentlich an so ein Nachtzugticket?
Leider sind wir in der Europäischen Union auch im Jahr 2019 noch nicht so weit, dass man einfach so ein Ticket von Wiesbaden nach Sizilien buchen könnte. Ich musste mein Ticket in zwei Teile splitten: zunächst buchte ich DB-Ticket von Wiesbaden nach Mailand und dann ein weiteres Ticket über Trainline bei der Italienischen Bahn für die restliche Strecke. Wenn alles nach Plan verläuft kein Problem. Wenn ihr Hilfe bei der Buchung solch einer Route benötigt, schreibt mich einfach an.
Aber wehe, wenn man den ersten Zug der zweiten Fahrkarte nicht rechtzeitig erreicht. Dann hat man die ziemliche Arschkarte, denn die Fahrgastrechte greifen dann nicht mehr. Um diesem Fall aus dem Weg zu gehen, plante ich in Mailand mit 4 Stunden einfach unheimlich viel Zeit zum Umsteigen ein. Zum Glück ist Mailand eine Stadt, in der man diese Zeit gut rumbringt.
Der EuroCityExpress von Frankfurt nach Mailand
Fast alle Fahrten aus Deutschland das Rheintal hoch enden irgendwo in der Schweiz. Einmal am Tag gibt es jedoch einen durchgängigen EuroCityExpress von Frankfurt bis Mailand. Der ausgewählte Zug ist ein Schnellzug der SBB, sodass der Umstieg in der Schweiz wegfiel. Der Zug hört auf den Namen Habicht (As ) bzw. ETR 610. Als Fahrgast ist der Unterschied zu einem ICE nicht sonderlich groß. Die Sitze waren auch in der 2. Klasse super bequem, so dass die achtstündige Fahrt bis Mailand ziemlich schnell verging.
Vor allem durch die Schweiz entlang der vielen Seen ist die Strecke landschaftlich unheimlich schön. Nur die Gepäckfächer über den Sitzen waren sehr flach. Mein großer Rucksack zum Beispiel hat nicht reingepasst. Ein Bordbistro hat der Zug auch dabei, aber da es gut gefüllt war, entschied ich mich nur für einen Snack am Platz. Ein bisschen teurer als in deutschen Zügen ist es aber schon. Das Bier hat knapp 6 Euro gekostet.
Der außerplanmäßige Stopp im Tunnel
Bis Luzern war unser Zug sehr pünktlich unterwegs. Aber nach dem Richtungswechsel im Kopfbahnhof bremsten wir kurz nach der Bahnhofsausfahrt in einem Tunnel abrupt bis zum Stillstand. Weil so schnell gebremst wurde, dachte ich mir schon, dass irgendwas nicht stimmen kann. Leider bestätigte das der Zugchef per Durchsage auch recht schnell. Im 5-Minuten-Takt hielt er uns auf dem Laufenden, auch wenn er über längere Zeit keine neuen Informationen hatte und nur vertrösten sowie um Entschuldigung bitten konnte.
Alle Durchsagen waren übrigens viersprachig! Der Zugchef beherrschte neben Deutsch, Italienisch und Englisch auch noch das Französische. Am schlechtesten war übrigens sein Englisch. Manchmal lud es zum Schmunzeln ein, aber es war vorhanden. Da kann sich die Deutsche Bahn im Störungsfall mal ein Beispiel drannehmen. Dort wird in solchen Fällen leider oft genug nur deutschsprachig informiert.
Welches technische Problem der Zug genau hatte kann ich nicht sagen. Wahrscheinlich irgendwas mit dem elektronischen Zugsicherungssystem. Jedenfalls musste der Zug neugestartet werden. Und weil der erste Reboot nichts half, erfolgte ein paar Minuten später noch ein zweiter. Bei diesem erlosch sogar kurzzeitig das Licht im gesamten Zug. Aber auch das wurde vorher angekündigt, sodass alle Fahrgäste ruhig blieben.
Wir rollen wieder…
So nach 20-25 Minuten Stillstand im Tunnel, es dürfte gegen 13:00 Uhr gewesen sein, habe ich wohl das erste Mal kurz daran gezweifelt, ob ich meinen Nachtzug um 20:10 Uhr noch erreichen würde. In meinem Kopf begann nämlich schon die Evakuierung in einen anderen Zug über diese schmalen Brücken. Aber der Lokführer gab seinen Zug nicht so schnell auf. Nach geschlagenen 40 Minuten im Tunnel setzte sich der Zug schließlich wieder in Bewegung.
Kurz danach erfolgte dann auch die erlösende Durchsage, dass das Problem vollständig behoben werden konnte. Erleichtertes Raunen ging durch den Zug. Einen Moment wurde wohl sogar überlegt, ob man klatschen solle. Aber diese Idee verwarfen die Reisenden in Wagen 5 schnell wieder.
Ich hatte immer noch gute drei Stunden Umstiegszeit in Mailand. Also alles gut? Fast zumindest. Unser Problemzug hatte nämlich noch den 50 Kilometer langen Gotthard-Basistunnel vor sich. Innerlich hatte ich schon ein bisschen die Daumen gedrückt, dass wir nicht nochmal stehen bleiben. Die restliche Fahrt bis Mailand erfolgte dann aber ohne Probleme. Wir mussten nur ab dem Grenzbahnhof einer langsamen S-Bahn hinterher schleichen, so dass sich unsere Verspätung leider bis zum Zielbahnhof nicht mehr verringerte. Sie wurde aber auch nicht mehr größer. Gute drei Stunden hatte ich also nun noch für den kurzen Stadtbummel in Milano.
1400 Kilometer und 19 Stunden im Nachtzug
Nach den obligatorischen Stationen in der Mailänder Innenstadt fand ich mich wieder am Hauptbahnhof ein, wo ich noch Proviant kaufen musste für die nächsten Stunden. In Nachtzügen von TrenItalia gibt’s nämlich leider außer einer Flasche Wasser und minimalstem Frühstück nichts. Wobei Nachtzug trifft es eigentlich nicht ganz. Die Fahrt dauerte mit rund 19 Stunden ja deutlich länger als eine Nacht. Die Ankunftszeit in Siracusa ganz im Südenosten von Sizilien ist nämlich erst um 15:38 Uhr.
Wenn man das Abteil als Einzelperson bucht, dann schläft man in der Regel im unteren Bett und das obere Bett ist hochgeklappt. So lässt es sich auch bequem im Bett sitzen und aus dem Fenster gucken. Links im Schrank war mein Waschbecken. Toiletten gab’s am Wagenende, Duschen leider gar keine. Also alles nicht ganz so vornehm wie in Finnland.
Mit der Fähre übers Mittelmeer
Nicht ganz unschuldig an der langen Fahrzeit ist die Fährüberfahrt über die Straße nach Messina. Der ganze Zug mit seinen 11 Wagen wird in Villa San Giovanni mit einer Rangierlok auf die Fähre geschoben und auf dieser „zerhackt“. Die vier Wagen, die zuerst aufs Schiff geschoben wurden, werden abgehängt und bleiben stehen. Der Rest fährt nochmal raus und wird dann auf einem anderen Gleis wieder in den Bauch des Schiffes gerollt. Am Ende waren 3 der 4 Gleise belegt und wir konnten endlich ablegen.
Die Überfahrt selbst dauert nur eine knappe halbe Stunde. Sonnenschein, bestes Wetter und Meer. Was will man mehr? Außerdem gab’s auf der Fähre Toiletten und eine kleine Kantine. Arg viel los war an Deck des Schiffes jedoch nicht. Wer wollte, der konnte aber auch die Fahrt über in seiner Kabine im Zug bleiben.
Beim Entladen in Messina dann das Ganze wieder in umgekehrter Reihenfolge. Von der Ankunft in Villa San Giovanni bis zu Abfahrt in Messina hat der Vorgang alles in allem rund drei Stunden gedauert. Wir mussten nämlich auch noch warten bis ein Zug in die andere Richtung entladen war bevor wir auf die Fähre konnten. Ganz schön lange für eine Fahrt von weniger als fünf Kilometern. Aber eine Brücke wurde hier leider nie gebaut, die Planungen nur unzählige Male verschoben und letztlich ganz verworfen.
Mein Fazit zur Anreise
Für mich gehört die An- und Abreise ja ohnehin mit zum Urlaub und so kam dieses Spektakel ganz recht. Wer nach gerade mal 1-2 Stunden wieder aus einem Flugzeug steigt, der hat doch überhaupt kein Gefühl mehr für Entfernungen. Und gesehen von unterwegs hat er auch nichts.
In einem Nachtzug ist das anders! Das schönste an einer Fahrt über Nacht ist nämlich morgens das Aufwachen, Rollo hochmachen und erstmal gucken, wo man gerade ist. Wenn man den Nachtzug nach Sizilien nimmt, dann ist die Chance morgens recht hoch, dass man Meerblick hat. Die ganze Strecke führt nämlich bald 1000 Kilometer entlang der Küste. Entweder hat bei der Italienischen Bahn jemand mitgedacht oder ich hatte einfach nur Glück, aber die Fenster auf der Abteilseite schauten Richtung Meer, die Gangseite ins Landesinnere.
Meine Nacht im Zug war sehr angenehm, mein Bett recht bequem und auch lang genug. Wecker musste ich mir dank der späten Ankunftszeit auch keinen stellen. Die Temperatur konnte über den Lüftungsregler gut gesteuert werden – zusätzlich ließ sich noch ein Kippfenster öffnen. Ein bisschen mehr Schienenrattern, Bremsenquietschen und Tunnelzischen lassen einen doch gleich doppelt so gut schlafen. Oder war es doch das Bier, das ich noch im Supermarkt besorgt hatte?
Ihr seht, so eine Zugfahrt ist für mich nicht einfach nur tote Zeit, sondern eigentlich schon fast das Highlight der Reise. Nicht ganz, dazu war Sizilien zu schön. Aber mehr zu Insel und meinen Stationen dort dann im nächsten Blogpost.
Nützliche Links
18 Kommentare
Wirklich sehr schön. Wir werden auch am 8. Juni mit dem Zug nach Zadar Reisen. Ich liebe Zug Reisen
Oh. Kroatien ist auch toll! Viel Spaß und gute Fahrt.
Richtig gut und informativ geschrieben. Ich bin im März mit meiner 6 Jahre alten Nichte von Wuppertal nach Tromsø mit dem Zug gefahren ( InterRail! Kann ich nur empfehlen und ist auch günstiger;) ).
Liebe Grüße,
Isi
Klingt auch nach einer tollen Reise! Den Norden Norwegens habe ich letztes Jahr auch bereist.
Vom Schweden rüber nach Narvik und dann raus auf die Lofoten und ab Bodo wieder nach Süden.
Herzlichen Dank für die genauen Informationen. Eine sehr schöner Reisebericht. Man fuhr regelrecht mit.
Besten Dank für die netten Worte.
Sehr informativ. Vielen Dank! Werde ich im nächsten Jahr ausprobieren.
Das freut mich zu hören. Wünsche schon einmal Gute Reise!
Ein sehr schöner Bericht, der mich an unseren Familienurlaub an der Adria zurückdenken lässt, mit Anreise per DB-Nachtzug von Dortmund nach Venedig. Unvergesslich, morgens vom Siebenjährigen geweckt zu werden mit „Papa, da sind Berge!“ – mitten in den Alpen 😊
Danke dafür!
Leider gibt’s diesen Nachtzug ja nicht mehr. Ich hoffe jedoch, dass das europäische Nachtzugnetz wieder größer wird.
Eine ganz tolle Geschichte „süffig“ erzählt und zur Nachahmung empfohlen. Es gibt eine Nachtzug-Klientel!
Besten Dank für die netten Worte!
Hallo Mahrko,
eine schöne Reisebeschreibung, die guttut und Erinnerungen weckt.
Ich bin Anfang der 80-er Jahre von der Nürnberger Gegend mehrmals in den Weihnachtferien mit dem Zug nach Sizilien gefahren und war auch per Fähre von Agrigent (Porto Empedokle) mehrmals auf Lampedusa, damals eine idyllische, ruhige, wunderschöne Fischer-Insel. Zu der Zeit wollte ich nicht mehr hier beim Skifahrt-Rummel mitmachen, fand heraus, dass in Italien Bahnfahren die Hälfte kostete und löste so beim ersten Mal am Hbf Nürnberg zur Verwunderung der umstehenden Leute problemlos eine Rückfahrkarte nach Messina. Allein die Zugfahrt war so schön, denn damals verlief die Strecke im Süden noch öfters am Meer, ich wurde im Rapido von einer sizilianischen Familie „gefüttert“, auf dem Rückweg hingen nach einem Silvester-Sturm die Gleise zum Meer hin unterspült in der Luft, der Zug stoppte auch länger im Tunnel und ich dachte schon, zum Schulbeginn nicht mehr rechtzeitig heimzukommen. Bei weiteren Fahrten kaufte ich eine günstige Art Ersteklasse-Netz-Fahrkarte für Touristen. Damals wurden die Züge Richtung Süden leider immer dreckiger.
Sizilien ließ mich fortan nicht mehr los!
Herzlichen Gruß
Christian
Bitte um eine kurze Rückmeldung!
Hallo Christian,
Anfang der 80er und du weißt es noch wie gestern. Da soll nochmal einer sagen, dass Bahnfahren kein Erlebnis ist. Schön, dass dir Sizilien so gefällt. Werd demnächst noch ein bisschen was über die Insel schreiben. 👋🏻👍🏻
Liebe Grüße
Marco
[…] Durch die Instagram-Stories von Marco Bereth in seinen letzten Reisen mit dem Zug fand ich das spannend beim nächsten Mal in Erwägung zu ziehen. Also wenn wir mal nach Italien reisen sollten. Übrigens möchte ich euch wärmstens die Blogbeiträge von Marco empfehlen, die er mit dem Zug erlebt hat. Besonders seinen Beitrag über die Reise mit dem Nachtzug nach Sizilien. […]
Wow, toller und vor allem ungewöhnlicher Bericht. Über die ehemaligen deutschen Nachtzüge oder die noch aktuellen österreichischen liest man ja doch ab und zu mal etwas, aber mit dem Nachtzug von Mailand nach Sizilien ist schon eher ungewöhnlich und genau das, was das Reisen ausmacht.
Da bekommt man auf jeden Fall gleich Lust zum Zugfahren!
LG, Chris
Lieber Marco,
Danke für den Bericht. Ich möchte im Juli die Strecken Venedig-Rom und Rom-Catania mit dem Nachtzug fahren. Lassen sich die Einzelkabinen absperren? Ich reise alleine als Frau und würde mich sonst unsicher fühlen.
Viele Grüße
Guten Morgen Alexandra,
ich denke das absperren sollte kein Problem sein. Du bekommst auch eine Schlüsselkarte, wenn du das Abteil mal verlässt.
Mehr Details zu Nachtzügen in Italien findest du hier: https://traintracks.eu/nachtzug-italien/